Schon wieder: NS-Wiederbetätigung als Kavaliersdelikt
MKÖ-Pressemeldung vom 16.12.2025:
Schon wieder: NS-Wiederbetätigung als Kavaliersdelikt
Die Serie skandalöser Gerichtsentscheidungen zu Neonazi-Straftaten reißt nicht ab. Am Landesgericht Graz wurde jetzt einem 59-Jährigen der Prozess gemacht, der mindestens ein Jahr lang immer wieder NS-Inhalte verbreitet hatte. Darunter den Spruch „Braun ist bunt genug“ und die Odalrune – ein Symbol der Hitler-Jugend und einer Waffen-SS-Division. Bei einer Hausdurchsuchung waren viele NS-Materialien gefunden worden, etwa der Aufkleber „Nazikiez“. Der Angeklagte hatte jede Menge Aufkleber beim gewalttätigen deutschen Neonazi Tommy Frenck bestellt und bezogen.
Vor Gericht log der 59-Jährige, dass sich die Balken bogen: Er sei ein „Mann der Mitte“ und „christlich-konservativ“. Von Schuldeinsicht also keine Spur. Die Geschworenen glaubten dem Angeklagten offensichtlich nicht: Sie entschieden einstimmig gegen ihn.
Umso befremdlicher fiel dann die Strafbemessung durch die drei Berufsrichter und die Geschworenen aus, berichtet die Plattform „Stoppt die Rechten“: Der Neonazi kam mit einer Geldstrafe von 6.600 Euro davon. Weitere 3.300 Euro Geldstrafe wurden auf Bewährung verhängt.
„Fortgesetzte NS-Wiederbetätigung wird zum Kavaliersdelikt, wenn man sich mit einigen tausend Euro freikaufen kann“, stellt Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ), fest. „Ein völlig falsches Signal!“
Trotz des „Schnäppchens“ wollte der Angeklagte Bedenkzeit. Auch die Staatsanwaltschaft überlegt Rechtsmittel. Das Urteil ist demnach noch nicht rechtskräftig.
Erst vor wenigen Tagen war einem 26-Jährigen am Landesgericht Linz für 71 Fälle von NS-Wiederbetätigung, darunter übelste rassistische und antisemitische Hetze, eine Diversion gewährt worden: 3.500 Euro, keine Vorstrafe.
Und im Juni war ein 23-jähriger Funktionär der Freiheitlichen Jugend am Landesgericht Graz schuldig gesprochen worden: Er hatte jahrelang eine Neonazi-Gruppe geführt. Trotzdem muss er keinen Tag ins Gefängnis! Das Gericht ließ es bei einer niedrigen bedingten Haftstrafe von nur acht Monaten, einer Geldstrafe von 4.800 Euro und einem pädagogischen Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen bewenden.
„Die Justiz erfüllt den antifaschistischen Auftrag der Verfassung immer weniger“, kritisiert Robert Eiter, Jurist und MKÖ-Vorstandsmitglied. „Der Trend zur Straflosigkeit beim Verbotsgesetz ist gefährlich: 2024 hat es schon zwölfmal so viele Einstellungen und Diversionen gegeben wie Verurteilungen.“
„Wenn einschlägige Täter aber doch verurteilt werden, lässt sich das Strafmaß oft nicht nachvollziehen“, sagt Mernyi. „Auch im aktuellen Fall in Graz ist das Urteil so mild, dass weder von Spezial- noch von Generalprävention die Rede sein kann.“
„Sollen Rechtsextremismus und Antisemitismus wirksam bekämpft werden, muss die Justiz in ihren Reihen das Bewusstsein für die Bedeutung des Verbotsgesetzes stark verbessern“, betont Eiter. „Es braucht aber auch Gesetzesänderungen wie die Abschaffung der Diversion für erwachsene Neonazi-Täter.“

