Prominente schlagen Alarm: Den Rechtsextremismus endlich wirksam bekämpfen!
Presseaussendung vom 8. Oktober 2025:
Prominente schlagen Alarm:
Den Rechtsextremismus endlich wirksam bekämpfen!
Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wenden sich in einem Offenen Brief des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) und des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus an Innenminister Gerhard Karner und Justizministerin Anna Sporrer. Die Unterzeichner:innen weisen auf den klaren antifaschistischen Auftrag in Österreichs Verfassung hin und kritisieren, dass dieser Auftrag durch Sicherheitsbehörden und Justiz immer weniger erfüllt wird.
2024 wurden in Österreich laut Verfassungsschutzbericht 1.486 rechtsextreme Straftaten begangen – ein Allzeithoch an NS-Wiederbetätigung, Holocaust-Leugnung und Verhetzung. Für das laufende Jahr ist eine weitere starke Zunahme zu erwarten. Trotzdem gibt es bis heute kein Gesamtkonzept für eine wirksame Bekämpfung des Rechtsextremismus. Seit 2013 verlangen das Mauthausen Komitee Österreich und das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus einen Nationalen Aktionsplan. Seit März ist der Aktionsplan im Regierungsprogramm verankert. Ausgearbeitet wird er noch immer nicht.
"Wenn die Sicherheitsbehörden wie kürzlich eine Razzia in der rechtsextremen Szene durchführen, ist das natürlich zu begrüßen. Obwohl man sich wundert, dass es trotz der umfangreichen Waffen- und NS-Funde keine Festnahme gibt. Vereinzelte Aktionen können aber keinesfalls einen Nationalen Aktionsplan ersetzen, dessen Ausarbeitung seit Jahren hinausgeschoben wird!", stellt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi fest.
Zu dieser völlig unverständlichen Säumigkeit kommt ein sehr rechtslastiges Vorgehen von Teilen der Polizei und des Verfassungsschutzes. Aktuelle Beispiele sind u.a. der Sturm auf die Südkärntner Gedenkstätte Peršmanhof und das Ignorieren rechtsextremer Vorfälle während der Demonstration der Identitären in Wien.
Bei der Justiz liegt ebenfalls vieles im Argen. Immer öfter werden Verfahren wegen rechtsextremer Straftaten sang- und klanglos eingestellt. 2024 ging die Zahl der Verurteilungen stark zurück, während die ohnehin hohe Zahl der Einstellungen gleich um ein Drittel zunahm. Diese Entwicklung zur Straflosigkeit ist auf falsche Entscheidungen der Justiz zurückzuführen. Wie Geschworenenprozesse ausgehen, lässt sich nur schwer kalkulieren. Deshalb suchen Staatsanwaltschaften sie zu vermeiden.
„Vor allem aber mangelt es oft am Bewusstsein für die Bedeutung des Verbotsgesetzes. Geht es so weiter, könnte dieses in wenigen Jahren totes Recht sein“, warnt Robert Eiter, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
Der am Dienstag versandte Brief schildert auch konkrete Fälle: etwa einen durch gravierende Justizfehler verursachten Freispruch für einen vielfachen Holocaust-Leugner oder eine unnachvollziehbar niedrige Strafe für den jahrelangen Führer einer Neonazi-Gruppe, der keinen Tag ins Gefängnis muss.
Abschließend appellieren die Unterzeichner:innen des Briefes an Innenminister Karner und Justizministerin Sporrer, rasch alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit der antifaschistische Auftrag der Verfassung in vollem Umfang erfüllt und der zunehmende Rechtsextremismus endlich wirksam bekämpft wird. Sie verlangen die unverzügliche Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans – mit ausreichenden Ressourcen und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Der Innenminister dürfe rechtslastiges Vorgehen von Teilen der Polizei und des Verfassungsschutzes keinesfalls tolerieren.
Die Justizministerin wird aufgefordert, durch breitangelegte Weiterbildungsmaßnahmen das notwendige Bewusstsein für die Bedeutung des Verbotsgesetzes zu schaffen. Die massenhafte Einstellung von Verbotsgesetzverfahren unter oft fragwürdigen Begründungen müsse ebenso ein Ende haben wie die unzulängliche Durchführung solcher Verfahren und die Verhängung unangemessen niedriger Strafen.
Zu den 79 Unterzeichner:innen gehören Kulturschaffende wie Christian Ludwig Attersee, Ruth Beckermann, Reinhold Bilgeri, Andreas Gruber, Gerhard Haderer, Miguel Herz-Kestranek, Maria Hofstätter, Elfriede Jelinek, Günter Kaindlstorfer, Christian Kolonovits, Harald Krassnitzer, Martin Kušej, Ludwig Laher, Chris Lohner, Eva Menasse, Robert Menasse, Birgit Minichmayr, Michael Ostrowski, Erika Pluhar, Robert Schindel, Gregor Seberg, Erwin Steinhauer, Dirk Stermann, Günter Tolar, Peter Turrini und Peter Paul Wiplinger, Historiker:innen wie Margit Reiter, Michael John, Doron Rabinovici, Harald Walser und Robert Obermair, und Jurist:innen wie Heinz Mayer, Gabriel Lansky, Alfred J. Noll, Maria Windhager und Heinrich Oppitz.
Viele Unterzeichner:innen üben wichtige Funktionen in der Zivilgesellschaft und im Kulturleben aus: Guy Dockendorf als Präsident des Internationalen Mauthausen Komitees, Ferdinand Kaineder als Präsident der Katholischen Aktion Österreich, Cornelius Obonya als Präsident der Aktion gegen den Antisemitismus, Alexander Pollak als Sprecher von SOS Mitmensch, Karl Öllinger als Sprecher der Plattform „Stoppt die Rechten“, Mirjam Zadoff als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, Hanno Loewy als Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Marion Wisinger als Präsidentin des Österreichischen PEN-Clubs sowie Renate Welsh als Präsidentin und Gerhard Ruiss als Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren.
„Die Unterstützung für den Offenen Brief und seine Forderungen ist überwältigend!“, sagt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi. „Diese Stimmen werden nicht zu überhören sein.“
„Wir ersuchen auch den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und den Vizekanzler, für eine entschlossene Verteidigung der Demokratie gegen die rechtsextreme Gefahr tätig zu werden“, schließt Netzwerk-Sprecher Robert Eiter. „Es ist höchste Zeit!“
